Aus dem Staatsarchiv Lodz haben wir jetzt Scans der Postkarten von Albert Tobias und seines letzten Briefs an die Lagerleitung vor dem Transport ins Vernichtungslager Kulmhof bekommen.
Am 6. Dezember 1941 schrieb er an seine Schwester Julie und wahrscheinlich an seinen Sohn Siegfried nach Mülheim. Die Postkarte wurde, wie so viele andere, wegen Überlastung des Postamtes nicht befördert. Seine Schwester hätte die Karte wahrscheinlich auch nicht mehr erreicht, denn sie wurde am 10./11. Dezember selber nach Riga deportiert. Siegfried war zu der Zeit als Rekrut in Aalborg/Dänemark stationiert, obwohl er als Halbjude gar nicht mehr hätte eingezogen werden dürfen.
Empfänger: „Fräulein Jula Tobias, Mülheim a.d. Ruhr, Auerstraße 23“
Absender: „Albert Tobias, Litzmannstadt/Ghetto, Ottilienstraße 8“
Datum: 6.12.41
Litzmannstadt 6. XII. 41
Meine liebe Jula und allerliebster [Herzchtügg?]
Persönlich konnte mich überzeugen und danke recht herzlich für die Grüße durch Herrn Lagerleiter Wolf und hab mich richtig gefreut endlich ein Lebenszeichen zu sehen, unterdessen habt ihr noch meine Adresse erhalten und hoffe ich, dass Ihr alle wohlauf seid, bin G.s.d. auch gesund. Fräulein Henle und Frau Mann hab auch schon getroffen, Bleibt mir nur gesund, dies ist mein einzige Sorge, grüßt und Küßt Euch herzinnig und bin euer Euch liebender Albert und Vati.
Schild und Brünell lassen grüßen.
Erwarte Briefe von Euch.
Dr. Kurt Wolff, Mitglied der Kölner Synagogengemeinde, war zum Leiter des Kölner Kollektivs I bestimmt worden, das eine Woche vor Alberts Transport von Köln nach Lodz deportiert worden war. In welcher Form er Albert Nachricht von seiner Schwester Julie übermitteln konnte, wissen wird nicht. Viel mehr als allgemeine Grußfloskeln waren nach den Zensurrichtlinien nicht erlaubt. Fräulein Henle und Frau Mann waren Freundinnen von Alberts Schwester Lina und Bruder Max. Mit Brünell ist wahrscheinlich Hertha Brünell gemeint, die mit ihrem Mann bis 1938 ein großes Konfektionswarengeschäft in Goch betrieben hatte. Ihr Mann war nach seiner Haft wegen Devisenvergehen nach Shanghai emigriert. Ihr und den beiden Kindern gelang die Flucht nicht mehr.
Am 30. April 1942 schreibt Albert Tobias eine Eingabe an die Kommission für Neueingesiedelte, da er eine Aufforderung zur Umsiedelung erhalten hat. Er bittet um Zurückstellung von diesem Transport, aber sein Gesuch wird abgelehnt und so wird er am 4. Mai 1942 ins Vernichtungslager Kulmhof deportiert.
Empfänger: „An die Kommission für Neueingesiedelte“
Absender: „Albert Tobias, Marysin, Block 19/4, Ottilienstraße 8“
Datum: Litzmannstadt, 30.4.42
Ich erhielt heute von der Ausweisungs-Kommission die Ausreise-Aufforderung für den 2. Mai.
Ich bin mit einer Arierin verheiratet gewesen, im April 1939 bin ich geschieden worden, in der Ehe sind 2 Söhne zur Welt gekommen im Alter von heute 20 + 23 Jahre, beide sicher im Arbeitsdienst gewesen und zur Zeit Soldaten im Felde, ich bitte aus diesem Grunde um Zurückstellung der Ausweisung.
Hochachtend Albert Tobias
Unten in der Mitte sieht man den Stempel von der Rückseite durchscheinen: ODMOWA – Abgelehnt