Family SIMON GAERTNER, Solingen

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„Die Söhne des Simon Gaertner“ von Daniela Tobias unter Mitwirkung von Hans-Joachim Schneider erschien 2014 in der HEIMAT Nr. 30 des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Solingen. Bereits am Am 12. Juni 2014 war im Solinger Tageblatt ein Artikel in einer Serie über die Solinger Opfer des Ersten Weltkriegs erschienen.

In der Mitte dieser Postkarte erkennt man das Schuhhaus Conrad Tack, das den Eckladen zur Wupperstraße gemietet hat. Dahinter folgen der Zigarrenladen J. Neumann sowie das eigene Geschäft von Simon Gaertner. Im daran anschließenden Haus betreibt Ernst Lohr seinen Orthopädiefachhandel. (StAS PK 2744)
In der Mitte dieser Postkarte erkennt man das Schuhhaus Conrad Tack, das den Eckladen zur Wupperstraße gemietet hat. Dahinter folgen der Zigarrenladen J. Neumann sowie das eigene Geschäft von Simon Gaertner. Im daran anschließenden Haus betreibt Ernst Lohr seinen Orthopädiefachhandel. (StAS PK 2744)

Seit Anfang 2014 der Erste Weltkrieg wieder in den Fokus der Erinnerung rückte, wurde auch viel über den inneren Zusammenhang zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg diskutiert. Für viele jüdische Familien bestand ein ganz fataler Zusammenhang: Männer, die 1914 noch voller Patriotismus für ihr Vaterland ins Feld gezogen waren, mussten spätestens 1942 feststellen, dass ihr Eisernes Kreuz für die Nationalsozialisten weniger wert war als Blech. Auch Simon Gaertner, der mit seiner Familie bis 1915 in Solingen lebte, machte die bittere Erfahrung, dass seine beiden Söhne Curt und Fritz für ein Land gefallen waren, das ihm nun nach dem Leben trachtete. Der dritte Sohn Willi übergab nach seiner Flucht in die USA dem Leo Baeck Institut verschiedene Dokumente aus dem Familienarchiv. Seine Tochter Elsbeth nahm 1996 mit der Shoah Foundation von Steven Spielberg ein dreistündiges Interview über ihre Geschichte auf. Im Juni 2014 besuchte Naomi Lewin, Urenkelin von Simon Gaertner, die Stadt, in der ihr Großvater und seine beiden Brüder aufwuchsen, bevor der große Krieg in ihr Leben einbrach. Ergänzt um Dokumente aus dem Stadtarchiv Solingen lässt sich so das Bild einer aufstrebenden jüdischen Kaufmannsfamilie nachzeichnen, deren Geschichte im Jahr 1915 abrupt in Solingen endete und dadurch in Vergessenheit geriet.

Im Juli 1891 zog der 30-jährige Kaufmann Simon Gaertner mit seiner Frau Juliane, geb. Blum, und den beiden Söhnen Curt und Willi aus Jülich in die Klingenstadt, um hier an der Kaiserstraße 159 ein Herren- und Knabenbekleidungsgeschäft zu eröffnen. [1] Es gehörte zu den ersten Läden, die nicht nur Kleidung nach Maß anfertigten, sondern auch günstige, vorproduzierte Konfektionsware anboten. „Hochelegante Knaben-Anzüge. Täglicher Eingang von Neuheiten!“, warb Simon Gaertner in einer Anzeige im Solinger Adressbuch von 1892. „Reelle Bedienung bei billigen streng festen Preisen“ versprach er seiner Kundschaft. [2]

Am 21. April 1896 kam der dritte Sohn Fritz in Solingen zur Welt. Simon Gaertner wurde im selben Jahr erstmals im Protokollbuch der Synagogengemeinde als Kassenprüfer genannt. [3] Auch in den kommenden Jahren engagierte er sich in der jüdischen Gemeinde und war ab 1907 Mitglied des Vorstands der Solinger Synagogengemeinde. Seine Söhne besuchten das neue Realgymnasium an der Schwertstraße.

Am 1. April 1910 inseriert Simon Gaertner im Solinger Kreis-Intelligenzblatt passende Ware zum Schulanfang.
Am 1. April 1910 inseriert Simon Gaertner im Solinger Kreis-Intelligenzblatt passende Ware zum Schulanfang.

Die Familie war bis 1907 unter verschiedenen Adressen an der Kaiserstraße, der heutigen Hauptstraße, gemeldet. Ihr Geschäft führten sie als Mieter zuletzt an der Kaiserstraße 120 – „gegenüber Gebrüder Alsberg“, wie Gaertner in seinen Annoncen warb. Die Konkurrenz an Konfektionsgeschäften und Warenhausketten wie Alsberg war inzwischen auch in Solingen gewachsen. Aber die Geschäfte schienen gut zu laufen, als Simon Gaertner sich 1906 entschloss, die Grundstücke an der Kaiserstraße 148-152 zu erwerben, um einen repräsentativen Neubau zu errichten. Wo heute das Bachtorzentrum steht, prägten damals noch bergisch verschieferte Bürgerhäuser, teils mit Geschäftslokalen, die verwinkelte Solinger Altstadt, unter anderem das Modegeschäft der Witwe Isidor Gotthelf und der Zigarrenladen J. Neumann. Das Eckhaus Nr. 154 wurde im Volksmund „Garzen Ecke“ genannt – nach dem Sattler Hermann Garze, der hier Kurz-, Galanterie- und Spielwaren verkaufte. [4]

Die alten Gebäude aus dem 17. Jahrhundert ließ Simon Gaertner abreißen. [5] Mit seinem Bauantrag handelte er sich allerdings zunächst eine Abfuhr ein. Der Regierungspräsident mokierte sich darüber, dass dem Antrag lediglich eine Ansichtszeichnung von der Kaiserstraße beigefügt sei, aber die „häßliche Brandschutzmauer zur Wupperstraße“ unterschlagen werde, die zudem die zulässige Bauhöhe überschreite. Er schlug vor, auch noch das Eckgrundstück Nr. 154 zur Wupperstraße (heute Breidenbacher Tor, damals „Schämelsgäßken“ genannt) zu erwerben und das Gebäude insgesamt niedriger zu planen. Auf die Bitte des Bauherrn hin, die bereits begonnene Grundstücksentwicklung nicht zu gefährden, erhielt Simon Gaertner kurzfristig eine Baugenehmigung bis zum Zwischengeschoss. Wann genau er das Eckgrundstück dazukaufte und ob das Gebäude dann in einem Zug oder in zwei Bauabschnitten errichtet wurde, ist leider in den erhaltenen Akten nicht dokumentiert. [6]

Dieser Stadtplan liegt der Hausakte zur Kaiserstraße 148-152 bei und zeigt die Simon Gaertner gehörenden Liegenschaften (rot). Als Mieter war er zwischen 1891 und 1907 an der Kaiserstraße 159, 157, 200 und 120 ansässig. (Stadtarchiv Solingen HA 1173)
Dieser Stadtplan liegt der Hausakte zur Kaiserstraße 148-152 bei und zeigt die Simon Gaertner gehörenden Liegenschaften (rot). Als Mieter war er zwischen 1891 und 1907 an der Kaiserstraße 159, 157, 200 und 120 ansässig. (Stadtarchiv Solingen HA 1173)

Kurz vor Baubeginn, im Frühjahr 1906, legte der älteste Sohn Curt ein hervorragendes Abitur am Gymnasium Schwertstraße ab und begann ein Jurastudium in Marburg. Der zweite Sohn Willi verließ die Schule ebenfalls im Sommer desselben Jahres, um in Mülheim an der Ruhr im renommierten Kaufhaus E. Rachelmann & Co. mit einer Ausbildung zum Textilkaufmann anzufangen. [7]

Sicherlich war die Baumaßnahme an der Kaiserstraße insgesamt größer ausgefallen als ursprünglich geplant, und Simon Gaertner nahm dafür nicht unerhebliche Hypotheken und Kredite bei der städtischen Sparkasse und weiteren Gläubigern auf. Die Vermietung einzelner Ladengeschäfte und Wohnungen innerhalb des Neubaus schien jedoch kein Problem darzustellen. Das Ecklokal mit großer, moderner Schaufensterfront über zwei Etagen bezog das Schuhhaus Conrad Tack, einen kleineren Laden mietete der Zigarrenhändler Neumann, unterm Dach richtete sich der Fotograf Herber ein Atelier ein und die Sprachschule Berlitz mietete ebenfalls einige Räume an. Das eigene Bekleidungsgeschäft der Gaertners belegte 426 m² über zwei Etagen, verbunden durch eine großzügige Freitreppe. Die Familie bezog eine Wohnung direkt über dem Laden mit sieben Zimmern, Küche, zwei Mansardenzimmern, Speisekammer und Badezimmer. [8]

Am Mittwoch, den 6. Juli 1907, inserierte Simon Gaertner im Solinger Kreis-Intelligenzblatt stolz die bevorstehende Neueröffnung von Solingens „größtem und ältestem Spezialhaus für Herren- und Knabenbekleidung“ in den Abendstunden. [9] Er versprach seiner Kundschaft: „Vom allerbilligsten bis zum vornehmsten Geschmack, streng reelle Bedienung, Besichtigung meiner Läger ohne Kaufzwang“. Außerdem sollte jeder Käufer zur Eröffnung als Andenken ein Geschenk erhalten.

Dr. Curt Gaertner
Dr. Curt Gaertner war der ganze Stolz der Familie und galt als brillanter Kopf. (Nachlass von Elsbeth Lewin)

Im Sommer 1908 schloss Sohn Willi seine zweijährige Lehrzeit in Mülheim ab und blieb ein weiteres Jahr bei Rachelmann als Verkäufer in der Baumwoll- und Bettwarenabteilung tätig. Das Arbeitszeugnis zum Ende seiner dortigen Anstellung drückte die vollste Zufriedenheit Rachelmanns mit seinem Fleiß, seiner Selbstständigkeit und seiner Gewandtheit aus. Auch die späteren Zeugnisse aus Hildesheim und Essen klangen ähnlich überzeugt von dem jungen Kaufmann, den es 1911 schließlich zurück nach Solingen ins väterliche Geschäft zog. Im Februar dieses Jahres begann auch der jüngste Bruder Fritz seine Ausbildung in Uerdingen.

Am 25. Juni 1909 bestand Curt Gaertner nach nur sechs Semestern Studium in Marburg, Berlin und Bonn seine erste juristische Staatsprüfung. Er begann sein Referendariat am Königlichen Landgericht in Elberfeld. Im Oktober 1910 ging der ehrgeizige junge Mann zudem als Einjährig-Freiwilliger zum 2. Nassauischen Infanterie-Regiment No. 88 nach Mainz, wo Verwandte seiner Mutter lebten. Anschließend zog er wieder zu den Eltern nach Solingen zurück und schrieb an seiner Dissertation „Der Besitzwechsel am Frachtgut“. Mit dieser Arbeit wurde der Jurist 1912 von der Universität Heidelberg promoviert. [10]

Die Familie war mehr als stolz auf ihren Ältesten, dem eine große Karriere vorausgesagt wurde. Nach seinem Referendariat in Elberfeld trat er eine Stelle als Gerichts-Assessor am Amtsgericht Solingen an. In der Synagogengemeinde engagierte sich Curt zudem bei Gründung und Aufbau des Jüdischen Jugend-Vereins.

Für Simon und Juliane Gaertner und ihre drei Söhne entwickelten sich die Dinge privat wie geschäftlich also durchaus vielversprechend – bis im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Hochwertige Herrenmode war auf einmal nicht mehr gefragt. Auch Dr. Curt Gaertner tauschte den feinen Anzug gegen die Uniform des Unteroffiziers und zog mit dem Brigade-Ersatz-Bataillon No. 27 nach Frankreich. In den kommenden Wochen zeichnete sich bereits ab, dass der Umsatz des Gaertnerschen Geschäfts nicht mehr ausreichen würde, um die fälligen Zinsen für den Neubau vertragsgemäß zu bedienen. [11] Das Weihnachtsgeschäft sorgte zwar noch einmal dafür, dass Simon Gaertner im Januar die Raten aus dem letzten Herbst nachzahlen konnte, aber die Sorgen wurden dadurch nicht kleiner.

Traueranzeige der Familie für Curt Gaertner im Solinger Tageblatt vom 27. Februar 1915.
Traueranzeige der Familie für Curt Gaertner im Solinger Tageblatt vom 27. Februar 1915.

Da traf im Frühjahr 1915 eine weitere Hiobsbotschaft aus dem Westen ein: Curt ist am 25. Februar im Lazarett von Beney, 40 km vor Verdun, an den Folgen eines Kopfschusses gestorben und vor Ort beigesetzt worden. Der Schock saß tief, auch in der jüdischen Gemeinde. Neben der Familie gaben auch die Kollegen vom Amtsgericht und der Jüdische Jugend-Verein eine Traueranzeige für den 26-jährigen Gefallenen im Solinger Tageblatt auf. [12] „Nun, da er nicht mehr unter uns ist, wissen wir, dass er einer unserer Besten war“, bekannten seine Freunde betroffen. Und doch zogen die jungen Männer weiter pflichtbewusst und patriotisch in diesen Krieg, dessen Tragweite und Tragik noch lange nicht begriffen wurde. Noch vereinte die gemeinsame Vorstellung vom deutschen Heldentum die jüdischen und christlichen Soldaten. Am Gymnasium Schwertstraße war nach Kriegsbeginn sogar eine „Notreifeprüfung“ abgenommen worden, damit die Oberprimaner schneller rekrutiert werden konnten. Ein Lehrer und 157 Schüler sollten bis 1918 ihr Leben lassen, darunter fünf jüdische Mitschüler.

Im April 1915 schied Simon Gaertner turnusgemäß aus dem Vorstand der Synagogengemeinde aus und stellte sich nicht erneut zur Wahl. Hierfür fehlte ihm unter den gegebenen Umständen
verständlicherweise die Kraft.

Am 6. Mai wurde der Solinger Rechtsanwalt Dr. Haas als Aufsichtsperson über die Geschäftsführung von S. Gaertner durch das königliche Amtsgericht Solingen bestellt. Bereits im April hatte Haas den Bürgermeister August Dicke angeschrieben, da die Stadt Solingen als Trägerin der Stadtsparkasse Hauptgläubigerin war. Er versuchte darzustellen, dass es sich nicht um eine buchmäßige Überschuldung handelte, sondern die Immobilie als Hauptbestandteil der Aktiva das Problem war. Dies hoffte er dadurch zu lösen, dass der Gläubiger der II. Hypothek, Dr. Alfons Hirsch aus Nürnberg, das Grundstück übernahm. Es kam jedoch zu keiner Einigung mit Hirsch. Auch gelang es Simon Gaertner nicht, Verhandlungen mit anderen Konfektionshäusern zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Am 1. Juli forderte die Stadtsparkasse schließlich die Zwangsversteigerung ein. Am 20. Juli legte Rechtsanwalt Haas erneut einen detaillierten Bericht vor, um die Gläubiger vom Vorteil einer außergerichtlichen Einigung zu überzeugen:

„Herr Gärtner betreibt seit Jahren am hiesigen Platze ein Konfektions- und Maßwarengeschäft mit einem für die Verhältnisse einer mittleren Stadt bedeutenden Umsatz. Dieses Geschäft hätte unter normalen Verhältnissen seinem Besitzer einen reichlichen Lebensunterhalt gesichert. Außerdem hatte Herr Gärtner in den letzten Jahren eine Vertretung übernommen, aus der erhebliche Mittel in das Geschäft geflossen sind. Auch die durch den Krieg herbeigeführte erhebliche Verschlechterung der Geschäftslage hätte Gärtner zwar nicht unberührt gelassen, allein seine wirtschaftliche Existenz doch nicht in Frage gestellt.“

Das eigentliche Problem sei die hypothekarische Belastung der Immobilie. Sie hatte Gaertner 1907 im Bau 531.000 Mark gekostet.  Im Juli 1915 stand er in der I. Hypothek bei der Sparkasse noch mit 368.000 Mark zu 5,5% Verzinsung in der Kreide, in der II. Hypothek zu 5% Verzinsung bei Hirsch/Wolff mit 34.000 Mark und in der III. Hypothek bei seiner Frau Juliane mit 10.500 Mark. Die Immobilie stand mit einem Wert von 500.000 Mark in den Geschäftsbilanzen, aber wenn eine Zwangsversteigerung drohte, die wohl nicht annähernd einen solchen Preis erzielen würde, bestand die Gefahr eines Konkurses und in diesem Falle auch ein erheblicher Ausfall für die Gläubiger. Simon Gaertner habe bereits mit dem Totalausverkauf begonnen, so Haas, und wolle sein Geschäft aufgeben, um wenigstens die laufenden Unkosten abzustellen.

Der Rechtsanwalt erkannte zwar an, dass die Sparkasse gezwungen sei, ihre Rechte im Interesse der Stadt durchzusetzen, suchte aber dennoch im Sinne aller Beteiligten nach einer gütlichen Alternative zur Abwendung des Konkurses. Er stellte für eine außergerichtliche Einigung in Aussicht, dass Juliane und Willi Gaertner, sowie die Firma Gaertner & Blum ihre Forderungen von insgesamt ca. 25.000 Mark fallen lassen würden und so eine Quote für die Hypotheken-Ausfall- und Warengläubiger von 30% erreicht werden könne. Im Falle eines Konkurses sei nur mit der Hälfte zu rechnen.

Am 15. August 1915 zog auch Willi Gaertner als Kraftfahrer in den Krieg. Er wurde wegen eines Magenleidens nicht an der Front eingesetzt. Seine Eltern und der jüngste Bruder Fritz verließen Anfang Oktober Solingen und zogen nach Mainz. Hier betrieb Juliane Gaertners Schwager Eduard Blum einen Weingroßhandel, an dem auch Simon Gaertner beteiligt war.

Diese imposante Ansichtszeichnung findet sich in der Hausakte zum Umbau durch C. Artmeier im November 1920. (StAS HA 1173)
Diese imposante Ansichtszeichnung findet sich in der Hausakte zum Umbau durch C. Artmeier im November 1920. (StAS HA 1173)

In der Zwischenzeit zogen sich die Verhandlungen zwischen der Solinger Sparkasse und Dr. Alfons Hirsch wegen der Übernahme des Grundstücks weiter hin. Die Sparkasse bestand auf der vollen Übernahme der 368.000 Mark Schulden nebst Zinsen und Kosten und einer Bürgschaft durch seinen Schwiegervater. Hirsch lehnte diese weitreichenden unwirtschaftlichen Verpflichtungen Ende November ab, ebenso wie die Stadt Solingen ein weiteres Entgegenkommen. Der Versteigerungstermin vor dem Amtsgericht wurde auf Mitte Dezember festgesetzt. Offenbar war die Stadtsparkasse einzige Bieterin und erhielt den Zuschlag. Über den Preis sind keine Aufzeichnungen mehr vorhanden. Hirsch hatte offenbar noch versucht, den Versteigerungstermin um 6 Monate hinauszuschieben unter Berufung auf § 7 des Kriegsteilnehmerschutzgesetzes, was aber abgelehnt und Ende Januar durch das Landgericht Elberfeld bestätigt wurde, da er nicht zu den mobilen Truppenteilen gehörte.

Am 10. Februar 1916 wendete sich Rechtsanwalt Haas erneut an die Stadt Solingen, da er jetzt von einem Gläubigerschutzverband aus Berlin unter Druck gesetzt wurde. Man drohte ihm mit seiner Absetzung und Regressansprüchen. Aus Sicht von Haas handelte es sich bei dem Vorgehen zwar um eine billige Masche, bei der gezielt schlecht informierten Kleingläubigern Gebühren aus der Tasche gezogen würden, die ihnen aber letztlich keinen Vorteil brächten bzw. sogar schadeten. Er bat die Stadt Solingen dennoch um eine rasche Einigung über die restlichen Forderungen, um die Sache endgültig abschließen zu können.

Im März 1916 schlug Haas eine Abfindung von 5000 Mark an die Stadt Solingen vor, so dass ein Konkurs vermieden und eine Gläubigerquote von 25% erreicht werden könnte. Justizrat Pütz, der die Sparkasse vertrat, forderte 7500 Mark in bar, wenn ein außergerichtlicher Vergleich zustande käme. Am 25. Juli 1916 schrieb Haas an Pütz, dass der Accord gesichert sei. Die Finanzkommission der Stadt stimmte der Einigung am 11. August 1916 zu. Zudem zahlte Simon Gaertner noch 300 Mark, um seinen privaten Schreibtisch zurückzukaufen, der für ihn einen hohen Erinnerungswert hatte, aber seitens der Stadt dem erworbenen Inventar zugerechnet wurde.

Für die Familie Gaertner war damit ihre Geschichte in Solingen beendet, alle persönlichen Kontakte waren weitgehend  abgebrochen. Juliane Gaertner hatte der Tod ihres Sohnes Curt in tiefe Trauer gestürzt und sie trug seither nur schwarz. [13] Ihr Mann Simon konnte sich zwar wieder im Weinhandel etablieren, aber seine Gesundheit war angeschlagen.

Das ehemalige Gaertner-Gebäude (ganz rechts) ist nach Kriegsende eines der wenigen Häuser in der Solinger Innenstadt, das noch provisorisch genutzt werden kann. (StAS RS 10533)
Das ehemalige Gaertner-Gebäude (ganz rechts) ist nach Kriegsende eines der wenigen Häuser in der Solinger Innenstadt, das noch provisorisch genutzt werden kann. (StAS RS 10533)

Die Stadt Solingen tat sich indes schwer mit Vermietung bzw. Verkauf des ehemals Gaertnerschen Geschäftshauses. Während des Krieges fand sich niemand, der bereit und in der Lage war, einen aus Sicht der Stadt angemessenen Preis zu zahlen. Interessenten gab es immer wieder, auf deren Angebote die Stadt aber nicht bereit war einzugehen. Ende 1919 legte auch das Ehepaar Moses Brock aus der Solinger Synagogengemeinde ein Angebot vor. 1920 übernahm jedoch die Bekleidungskette C. Artmeier das Haus und gestaltete die ursprüngliche Fassade mit Jugendstilelementen nach der aktuellen Bauhaus-Mode um. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gaertner-Haus eines der wenigen Gebäude in der Innenstadt, das noch stand und provisorisch genutzt werden konnte. Artmeier ersetzte den Bau 1953 durch einen erheblich schlichteren Neubau. 1990 wich das Eckhaus schließlich dem Bachtorzentrum.

Anfang Juni 1917 musste sich Simon Gaertner in Mainz einer schweren Operation unterziehen. Sein Sohn Willi kam zu Besuch nach Hause, aber er hatte schlechte Nachrichten: Fritz galt in Frankreich als vermisst und es gab wenig Hoffnung. Er konnte sich zu diesem Zeitpunkt nur seiner Mutter offenbaren, da die Ärzte der Ansicht waren, dass sein Vater die Nachricht noch nicht verkraften würde. So schrieb er am 10. Juni, bevor er am nächsten Morgen zu seiner Truppe zurückkehren musste, einen Brief an den Vater:

Am 10. Juni 1917 schreibt Willi Gaertner an seinen schwer kranken Vater einen Brief. Er weiß zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass sein Bruder Fritz tatsächlich schon tot ist, obwohl er es befürchten muss. (Nachlass von Elsbeth Lewin)
Am 10. Juni 1917 schreibt Willi Gaertner an seinen schwer kranken Vater einen Brief. Er weiß zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass sein Bruder Fritz tatsächlich schon tot ist, obwohl er es befürchten muss. (Nachlass von Elsbeth Lewin)

„Mein lieber, guter Papa! Bevor ich nun heute wieder abfahre u. gleich der lieben Mutter sagen will, weshalb ich hergekommen bin, noch einige Zeilen für Dich. Ich weiß, daß diese Ungewißheit, die ich Euch diesmal ins Haus tragen mußte für Dich besser zu ertragen wäre, hätte ich es Dir gesagt. Aber der Professor hielt es nicht für gut, heute, wo die Zweifel mächtiger geworden sind, Dir es zu sagen. Nun bist Du s. G. w. stärker, nun mit Ruhe und Vernunft die Sache hinzunehmen. Bedenke, daß es auch für mich keine Kleinigkeit ist, Euch solche Nachricht, die mich selbst bedrückt, zu bringen, daß ich mehr als alles mögliche getan habe was zu erfahren. Vielleicht kann ich Dir die Einzelheiten bald mündlich erzählen. Bedenke die colossale Anstrengung d. l. Mutter, Dich gestern mit der Ahnung zu besuchen, Fritz wäre vermißt und sich Dir nichts anmerken zu lassen. Nun sei auch Du stark. Wir, als Männer, müßen ohne äußerlich zu zucken u. wenn es innerlich noch so in uns stürmt, das Schicksal hinnehmen wie es kommt, damit sich an uns die l. Mutter emporrichtet. Bedenke, daß es wieder (?) ein Gutes ist, daß Du nun operiert bist, aber sei auch stark, nicht alleine für Dich, für uns alle. An mir sollst Du ja alles haben, was Du am Sohne haben kannst, aber solange uns jetzt höhere Gewalten trennen, ist dieser Halt nicht so greifbar. Deshalb sollen Dir diese paar Worte, l. Papa sagen, wie ich mit Dir fühle u. Deinen ganzen Schmerz mit Dir teile. Ich habe versucht, was zu versuchen war um Gewißheit zu bekommen,  vorläufig gilt es noch nicht. Du l. Papa brauchst nichts zu unternehmen. Aber meine Kraft, das Schicksal hinzunehmen, soll auf Dich übergehen, das Bewußtsein Dich gesund machen zu müßen u. Dich in Ruhe aufrecht zu erhalten für Dich u. die Deinen soll in Dir Wurzel fassen u. stärker sein als aller Schmerz. Wir müßen ganze Männer sein, Du u. ich Dein treuer Dich l. Willi“ [14]

Der jüngste Bruder Fritz war bereits am 1. Juni 1917 als Gefreiter des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 10 im Alter von 21 Jahren im
nordfranzösischen Lens gefallen. Willi war nun der einzige Sohn und wurde am 15. August 1917 aus dem Heeresdienst entlassen. Er kehrte zu den Eltern nach Mainz zurück und übernahm am 16. Oktober die Stelle des kaufmännischen Leiters des Getreide-Kommunalverbandes. Hier bewältigte er in schwierigen Zeiten die Aufgabe, die Bevölkerung mit ausreichend Mehl zu versorgen. Sein diplomatisches und vorausschauendes Verhandlungsgeschick im Umgang mit Erzeugern, übergeordneten Reichsbehörden sowie den Verteilstellen wurde schnell erkannt, und man übertrug ihm 1919 die Leitung des Versorgungsamtes Mainz, dem die Überwachung der gesamten Lebensmittelversorgung des besetzten hessischen Gebietes unterstellt war. Als Anfang 1922 das Ende dieser Behörde in Sicht war, lobte ihn der Provinzialdirektor in den höchsten Tönen:

„Herr Gärtner ist zur vollkommen selbständigen Leitung jedes grösseren kaufmännischen Unternehmens befähigt und wird jeden Platz, auf den er gestellt wird, voll ausfüllen. Die Verbandsleitung ist Herrn Gärtner dafür dankbar, dass er bis zum voraussichtlichen Abschluss der Tätigkeit des Kommunalverbandes auf seinem Posten ausharrt und verbindet mit diesem Dank die besten Wünsche für seine Zukunft.“ [15]

Willi Gaertner stieg nach Ende seiner Tätigkeit zum 30. Juni 1923 in den Weinhandel seines Vaters ein. Nach einem Zerwürfnis mit Eduard Blum firmierten sie als „Beär, Gaertner & Co“, später „Gaertner & Sohn“. Seine Handlungsreisen führten ihn von den Niederlanden bis nach Pommern. Er reiste ausschließlich mit dem Zug, da er seit seinem Kriegsdienst partout nicht mehr ans Steuer wollte. Eine eigene Familie hatte Willi inzwischen auch gegründet. Seine Frau Johanna Oppenheimer brachte am 4. Juli 1924 in Mainz Tochter Elsbeth zur Welt. Die drei lebten in einer großzügigen Altbauwohnung am Feldbergplatz mit Aussicht auf den gleichnamigen Berg im Taunus und beschäftigten ein Hausmädchen. [16]

Das letzte gemeinsame Familienfoto in Mainz zeigt Elsbeth, Willi, Juliane, Simon und Johanna Gaertner am Tag der Goldenen Hochzeit der Großeltern am 31. August 1937. (Nachlass von Elsbeth Lewin)
Das letzte gemeinsame Familienfoto in Mainz zeigt Elsbeth, Willi,
Juliane, Simon und Johanna Gaertner am Tag der Goldenen Hochzeit der Großeltern am 31. August 1937. (Nachlass von Elsbeth Lewin)

Doch mit den ruhigeren, friedlichen Zeiten war es schon zehn Jahre später wieder vorbei. Im Januar 1934 empfahl ihm Oberregierungsrat Falck in einem vertraulichen Schreiben, sein Amt als Vorstandsmitglied der Kriegsgräberfürsorge Mainz aufzugeben, da der bevorstehende Volkstrauertag unweigerlich zum ersten Mal eine Zusammenarbeit mit der Partei verlangte und diese voraussichtlich auf seiner Entfernung bestehen würde. Obwohl Willi die Arbeit im Verband in Gedenken an seine gefallenen Brüder ein wichtiges Anliegen war, bedankte er sich bei Falck für die Warnung und legte seine Mitgliedschaft umgehend nieder. [17]

Im Dezember 1935 versuchte Simon Gaertner Einspruch gegen das neue Verbot einzulegen, arische Hausangestellte in jüdischen Familien zu beschäftigen. Seine Frau Juliane war zweimal schwer gestürzt und konnte sich aufgrund eines Oberarmbruchs und einer Kopfverletzung bis auf Weiteres nicht selbst pflegen. Er selber war dazu aufgrund seines Herzleidens ebenfalls nicht in der Lage.  Hausarzt Dr. Walter Nathan bestätigte die unbedingte Notwendigkeit, die bisherige Hausangestellte weiterhin mit der Pflege von Juliane Gaertner zu betrauen, um keinen Rückfall zu riskieren. Der Antrag an das Kreisamt Mainz ging bis ins Innenministerium nach Berlin, von wo am 23. Dezember der endgültige und ohne weitere Begründung ablehnende Bescheid kam. Wie es die Familie letztlich schaffte, diese schwierige Lage zu meistern, ist nicht bekannt.

Geschäftlich konnte sich Willi Gaertner in dieser Zeit vor allem durch den noch florierenden Handel mit den Niederlanden und Belgien einigermaßen über Wasser halten. Außerdem klang der Name nicht explizit jüdisch. So erreichte Ende Mai 1938 ein Brief von Dr. Hjalmar Schacht die Weinhandlung „Gaertner & Sohn“. Der Reichsbankpräsident hatte auf dem Rittergut Köstlin in Ostpreußen einen 36er Kasseler Riesling aus ihrem Hause gekostet und fragte nun an, ob davon noch eine Lieferung zu bekommen sei.

Als Willi Gaertner nach der Reichspogromnacht im November 1938 inhaftiert wurde, war seine Mutter bereits wieder auf den Beinen. Wie an jedem Sabbat-Abend gingen Johanna und ihre Tochter Elsbeth zu den Großeltern zum Essen. Als Juliane erfuhr, warum ihr Sohn nicht mitgekommen war, zog sie Schuhe und Mantel an, setzte ihren Hut auf und sagte empört zu ihrem Mann: „Komm Schatz, wir gehen zur Gestapo!“ Die Familie begleitete sie zwar bis zum Hauptquartier der Gestapo, aber die 79-jährige marschierte dann allein in die Höhle des Löwen. Als sie wenige Minuten später wieder auf die Straße trat, berichtete sie den verdutzten Verwandten: „Sie lassen ihn frei.“ Auf die Frage, was sie denn gesagt habe, antwortete sie: „Ich habe zwei Söhne für dieses Land geopfert und den Dritten kriege ich jetzt wieder!“ Offenbar hatte der beherzte Auftritt der alten Dame bei den Verantwortlichen einen außergewöhnlichen Eindruck hinterlassen, denn schon auf dem Nachhauseweg hörten sie hinter sich einen Pfiff von Willi, der tatsächlich aus der Schutzhaft entlassen worden war. [18]

Nach diesem Vorfall beantragte die Familie sofort Visa für die USA, wo Geschwister von Simon Gaertner lebten. Zunächst gelang es ihnen, Tochter Elsbeth mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Zwei Wochen bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach, schaffte es auch Willi Gaertner nach Großbritannien auszureisen. Seine Frau Johanna blieb vorläufig in Mainz, da das Paar die Lage für jüdische Männer in Deutschland als gefährlicher einstufte. Der Plan, dass Willi für sie in England eine Stelle als Hausmädchen organisieren sollte, wurde durch den Kriegsausbruch hinfällig und sie musste weiter in Deutschland auf ihr reguläres Visum für die USA warten. Als Willi Gaertner im Frühjahr 1940 aus Großbritannien an eine Verwandte in Amsterdam Geld schickte, damit diese Päckchen an die notleidenden Eltern in Mainz senden konnte, wurde er wegen unerlaubten Handels mit dem Feind verwarnt. Es war unter Strafe verboten, selbst an verfolgte Juden Hilfslieferungen oder Geld zu schicken, die direkt oder indirekt dem Feind nützen könnten. Willi antwortete auf diese Verwarnung zwar einsichtig, dass ihm nicht klar gewesen sei, dass er gegen das Gesetz verstoßen habe, aber er sich selbstverständlich in Zukunft daran halten werde. In Wahrheit war es für ihn jedoch kaum zu ertragen, dass es keine Hoffnung mehr auf eine Flucht für seine alten Eltern gab und er nicht die kleinste Unterstützung leisten konnte.

Am 22. Mai 1940 konnte Willi schließlich zusammen mit seiner Tochter Elsbeth an Bord der SS Samaria von Liverpool aus in die USA reisen. Die beiden wurden am 1. Juni von Cousin Louis Gaertner in New York empfangen. [19] Als Mutter Johanna im Juli endlich die nötigen Papiere beisammen hatte, konnte sie wegen der Kriegslage nicht mehr direkt über Frankreich oder Holland ausreisen, sondern musste über Lettland, Russland und Japan Richtung Westküste der USA aufbrechen. Bis Japan konnte sie ihre Reisekosten noch in deutscher Währung bezahlen, aber für die Überfahrt nach Seattle verlangten die Japaner 200 $, die sie nicht hatte. Es kostete Willi Gaertner mehrere Wochen Zeit jemanden zu finden, der ihm das nötige Geld in Dollar vorstreckte. Während dieser Zeit lebte Johanna bei einer jüdischen Familie in Kobe. Am 10. August 1940 konnte sie endlich das Schiff SS Hie Maru in Yokohama besteigen und die kleine Familie fand in New York wieder zusammen.

Währenddessen war Simon Gaertner am 28. Juli 1940 in Mainz verstorben. Seine Frau Juliane wurde am 28. September 1942 von Darmstadt aus nach Theresienstadt deportiert. Die 83-jährige erlag dort am 12. Dezember den Strapazen des Lagers. Für den Sohn blieb es ein ewiger Schmerz, es nicht geschafft zu haben, seine Mutter, die 1938 sein Leben gerettet hatte, vor der Verfolgung der Nazis zu schützen.

Grabstein mit Davidstern von Dr. Curt Gaertner in Thiaucourt- Regnieville. (Uli Preuss, 2014)
Grabstein mit Davidstern von Dr. Curt Gaertner in Thiaucourt-Regnieville. (Uli Preuss, 2014)

1964 besucht Willi Gaertner die Kriegsgräber seiner beiden Brüder in Lens-Sallaumines und Thiaucourt-Regnieville. Er veranlasste danach, die Kreuze mit den verwitterten Inschriften durch neue Steine mit dem David-Stern zu ersetzen. 1978 starb Willi Gaertner in New York. Seine Tochter Elsbeth hatte später mehrfach ihre Geburtsstadt Mainz besucht und alte Bekannte getroffen. Ihre älteste Tochter Naomi studierte hier sogar einige Semester.

Im Juni 2014 kam Naomi Lewin das erste Mal in die Klingenstadt, in der ihr Großvater und seine beiden Brüder aufgewachsen waren. Sie besuchte den jüdischen Friedhof mit der Gedenktafel für die gefallenen jüdischen Soldaten, das Amtsgericht, an dem ihr Großonkel Curt gearbeitet hatte, und traf sich am Gymnasium Schwertstraße mit Oberstufenschülern, die sich im Geschichtsunterricht gerade mit dem Ersten Weltkrieg befassten, in den Fritz, Willi und Curt Gaertner seinerzeit wahrscheinlich ebenso zuversichtlich, begeistert und patriotisch wie fast alle ihre Mitschüler gezogen waren. Für die heutigen Jugendlichen bleibt es eine emotional nur schwer nachvollziehbare Begeisterung, die immerhin durch eine persönliche Geschichte ein wenig greifbarer geworden ist.

Im Oktober 2015 wurden für Simon und Juliane Gaertner in Mainz an der Kaiserstr. 24 in Anwesenheit der Familie Stolpersteine verlegt.

Quellen und Anmerkungen

  1. Im Stadtarchiv Solingen gibt neben der Meldekarte der Familie Gaertner die Bürgerrolle für das Haus Kaiserstraße 159 weiterhin Auskunft über Angestellte, die offenbar von Jülich aus mit nach Solingen gezogen sind. Inwiefern Simon Gaertner bereits in Jülich mit Vater und Geschwistern ein Geschäft betrieben hat, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen, da die dortigen Unterlagen kriegsbedingt verloren gegangen sind.
  2. Simon Gaertner warb von Anfang an regelmäßig in Adressbüchern und im Solinger Kreis-Intelligenzblatt bzw. Solinger Tageblatt.
  3. Stadtarchiv Solingen, Ve 44 Nr. 1, Protokollbuch der Synagogengemeinde.
  4. Anlässlich des Abrisses des Gaertner-Hauses erschien am 7. März 1953 im Solinger Tageblatt ein Rückblick auf die Geschichte dieses Ortes. Der Autor vermutet, dass die Stadt Solingen ein besonderes Interesse daran gehabt habe, dass Gaertner die alten Häuser niederlegte und mehr Platz für die Straße schuf.
  5. Am 23. Juni 1906 veröffentlichte Gaertner eine Anzeige im SKIB, in der er den Abbruch der Häuser zum Kauf anbietet.
  6. StAS Hausakten HA 1173-1175.
  7. Wegzüge und Zuzüge der Söhne sind der Solinger Meldekarte entnommen. Detaillierte Daten über die Ausbildung von Willi Gaertner sowie Arbeitszeugnisse stammen aus dem Privatnachlass der Familie.
  8. Die Aufstellungen sind der Prozessakte Gaertner / Stadt Solingen entnommen, StAS S-1412, sowie den Bauzeichnungen der Hausakten HA 1173-1175.
  9. Gaertner inserierte bereits vorher mehrfach wegen des Räumungsverkaufs im alten Laden und der bevorstehenden Neueröffnung, die sicherlich ein besonderes Aufsehen in der Stadt erregt haben wird.
  10. Seinen studentischen Werdegang beschreibt Curt Gaertner im Vorwort seiner Dissertation „Der Besitzwechsel am Frachtgut“, Universitätsbibliothek Heidelberg, JU/PE 360 F798.
  11. Die Prozessakte S-1412 enthält unter anderem ausführliche Briefe von RA Dr. Haas, die die geschäftliche Entwicklung aufzeigen.
  12. Solinger Tageblatt vom 27. Februar und 1. März 1915.
  13. Diese Erinnerung an die Großmutter war für Elsbeth Lewin prägend. Sie beschreibt sie in dem Interview mit der Shoah Foundation als zwar äußerlich aufrecht stehende, aber innerlich doch schwer getroffene Frau. Das englische Interview ist unter http://youtu.be/zIwyl_PUUxg anzusehen.
  14. Aus dem Nachlass der Tochter Elsbeth Lewin.
  15. Leo Baeck Digital Collections, AR 2443.
  16. Elsbeth Lewin beschreibt ihre Kindheit in Mainz sehr ausführlich im Interview mit der Shoah Foundation.
  17. Sofern nicht anders angegeben, entstammen alle Angaben über die Mainzer Zeit den Unterlagen, die Willi Gaertner dem Leo Baeck Institut übergeben hat, LBI Collections, AR 2443.
  18. Elsbeth Lewin ist dieser Vorfall in äußerst lebendiger Erinnerung geblieben, wohingegen sie sich an andere Erlebnisse dieser Zeit viel schlechter erinnern konnte.
  19. Die Schiffspassagen sind unter https://familysearch.org/pal:/MM9.1.1/24LM-3HH (Elsbeth und Willi), bzw. https://familysearch.org/pal:/MM9.1.1/KDZX-4RW (Johanna) abrufbar.