Familie ROBERT KRONENTHAL, Dresden

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Robert Kronenthal 1915
Musketier Robert Kronenthal, Postkarte vom 23.10.1915 an die Eltern

Robert Kronenthal kommt am 23. November 1896 in Neuwied als Sohn des Fleischermeisters Josef Kronenthal und seiner Frau Emilie Hertz zur Welt. Die Schwester Therese stirbt bereits mit 3 Jahren. Die zweite Schwester Alice ist zehn Jahre jünger als Robert.

Vater Josef Kronenthal betreibt in Neuwied eine gut laufende Schweine- und Ochsenmetzgerei an der Schlosstraße 20, später an der Engerser Straße 15. Er beliefert den Fürst von Wied und gewinnt 1905 eine Goldmedaille für seinen Kochschinken, der auch in Dosen im Versandhandel erhältlich ist.

Robert besucht zunächst die jüdische Schule in der unmittelbaren Nachbarschaft und anschließend das Prorealgymnasium. Er absolviert nach der Schule eine kaufmännische Ausbildung beim Textil-Kaufhaus Leyens & Levenbach in Wesel, bevor er 1914-18 mit dem 6. Rheinischen Infanterie Regiment 68 als Soldat in den Krieg zieht.

Nach dem Krieg findet Robert Kronenthal eine Anstellung im Verwaltungsdienst des Landratsamtes, bevor er als kaufmännischer Angestellter zur Firma Winkler & Dünnebier in Neuwied wechselt.

Zwischen 1919 und 1921 malt Robert Kronenthal Motive aus Neuwied und Umgebung.


Familie Kronenthal
Berta und Robert Kronenthal mit Sohn Walter, ca. 1927

Im April 1923 heiraten Robert Kronenthal und die in Marburg geborene Berta Metzig, die 1905 mit ihren Eltern nach Neuwied gezogen war und bei der Firma Wick eine Ausbildung zur Putzmacherin und Kürschnerin absolvierte. 1925 kommt der gemeinsame Sohn Hans Walter zur Welt.

Bei Winkler & Dünnebier werden unter anderem Schokoladenüberzugmaschinen hergestellt. Die Besitzer stammen ursprünglich aus Sachsen. Möglicherweise kommt Robert dadurch in Kontakt zur Johannes Kegel KG Dresden, die ebenfalls Schokoladenmaschinen herstellt und für die er als Vertreter arbeitet, bevor er selber zusammen mit Oskar Gretschel aus Kamenz die Greco-Maschinenfabrik gründet. Sie nimmt am 1. Juli 1928 ihren Betrieb auf und wird am 22. März 1929 als OHG ins Handelsregister Dresden eingetragen. Robert Kronenthal ist ab dem 20. Februar 1931 Alleininhaber des Betriebs auf dem Industriegelände in der Albertstadt.

Im November 1931 heiratet sein Vater Josef in Neuwied Dorothea Tobias. Roberts Mutter Emilie war im Jahr zuvor verstorben. Dorotheas Vater Moses Tobias ist Josefs Cousin. Josef Kronenthal stirbt 1936 mit nur 67 Jahren. Seine Frau Dora wird 1942 deportiert und gilt als verschollen.

Greco-Mitarbeiter
Robert Kronenthal (hinten rechts) vermutlich mit Arbeitern seiner Firma Greco.

Am 24. März 1938 muss Robert Kronenthal seine Firma Greco an Kurt Galle verkaufen. Er erhält dafür lediglich 1.300,-RM. Er ist zunächst noch als Angestellter in der Firma beschäftigt. Im November 1938 wird er nach Buchenwald deportiert, wo er vier Wochen als Häftling Nr. 23244 im Block 50 zubringt. Danach kann er nur noch Sprachunterricht an der jüdischen Schule geben und Privatleute, die auswandern wollen, in englisch und französisch unterrichten. Seine Frau näht außerdem Kapuzen und Zwischenfutter für Mäntel, um die kleine Familie über Wasser zu halten.

Alice Kronenthal im Juni 1939 in Tynemouth.

Roberts Schwester Alice ist es gelungen nach Groß-Britannien auszuwandern wie einigen ihrer Cousins und Cousinen. 1939 arbeitet sie in Newcastle-upon-Tyne als Restaurant-Köchin. Im Dezember 1942 heiratet sie in London Hans Klemperer (Jan Klempera). Das Paar zieht nach West Hampstead, aber Hans schließt sich schon bald eine tschechischen Brigade an, um gegen die Nazis zu kämpfen.

Am 23. Oktober 1942 wird Robert Kronenthal verhaftet. Über die Gründe ist nichts bekannt, alle Gestapoakten sind vernichtet. Wann genau er nach Auschwitz deportiert wird, ist nicht nachzuvollziehen, da es zwischen Oktober 1942 und Januar 1943 keine organisierten Transporte ab Dresden gibt. Seine Todesurkunde aus Auschwitz ist auf den 11. Januar 1943 ausgestellt.

Die Internierung der letzten etwa 300 Juden in das Lager Hellerberg im Norden von Dresden erfolgt Ende November 1942. Diese Gruppe wird Anfang März 1943 nach Auschwitz deportiert und größtenteils direkt nach der Ankunft ermordet. Von den Deportationen nach Hellerberg gibt es Aufnahmen, die Yad Vashem veröffentlicht hat.

Auch der Romanist Victor Klemperer beobachtet die Deportationen und schreibt darüber in sein Tagebuch, das er später unter dem Titel „Ich will Zeugnis geben bis zum Letzten” veröffentlicht:

Eva sagt, diese neue Art der Evakuierung sei deshalb so schamlos, weil alles so offen vor sich gehe. Das Neue daran ist jedenfalls, daß wir diesmal Einblick in das Inferno haben und mit ihm im Konnex bleiben. Ist es eine gemäßigte Hölle? Das muß sich herausstellen. Der junge Eisenmann, der am Auffüllen der Bettsäcke etc. mitgeholfen hatte, sagte: ‚katastrophal! unvorstellbar eng und barbarisch primitiv, … Die Zimmerleute hätten gesagt, sie seien am Barackenbau für russische und polnische Gefangene beschäftigt gewesen – Luxuslager gegen dies Judenlager in Sand und Schlamm …‘

Quelle: hagalil.com

Victor Klemperer, der wie Robert Kronenthal mit einer Nicht-Jüdin verheiratet ist, muss schon ab 1940 sein eigenes Haus verlassen und mit seiner Frau Eva in ein Judenhaus ziehen. Beide schaffen es, während der Angriffe auf Dresden unterzutauchen, und Klemperer entkommt so seiner drohenden Deportation.

Stolpersteine für Robert und Dorothea Kronenthal
Stolpersteine für Robert und Dorothea Kronenthal

Die Witwe Berta Kronenthal erhält 1947 die Firma Greco zurück, scheitert jedoch daran, die zugehörigen Maschinen wieder in ihren Besitz zu bekommen. Sie waren durch Kurt Galle unter anderem in der Maschinenfabrik Elsner genutzt worden. Da Galle ab 1942 NSDAP-Mitglied war, wird er nach dem Krieg enteignet und die Firma Elsner geht in den Besitz des Landes Sachsen über. Der zuständige Treuhänder Grützner vereitelt jedoch mehrfach eine eigentlich zugesagte Herausgabe der Greco-Maschinen. 1949 erlischt die Firma Greco.

Alice Kronenthal Klemperer stirbt im am 10. Februar 1951 im Jewish Home of Rest, Birchlands Ave, London an Magenkrebs . Sie hatte keine Kinder. Ihr Mann stirbt 1955 an Lungenkrebs.

Im Februar 2014 werden in Neuwied an der Engerser Straße 15 Stolpersteine für Robert Kronenthal und seine Stiefmutter Dorothea verlegt.

Am 15. März 2018 wird in Dresden an der Behrischstr. 7 ein Stolperstein für Robert Kronenthal verlegt.

Quellen: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden
11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1374, S. 737, 738
11045 Amtsgericht Dresden, Nachtrag 485, Handblatt
11430 Bezirkstag/Rat des Bezirkes Dresden, VdN 4210
Fotos: Olaf Kronenthal (6) und Daniela Tobias