Herz Tobias wurde um 1798 in Oberdreis geboren, vermutlich als erster Sohn von Tobias Herz und Täubchen Samuel. Seine Mutter war bei seiner Geburt 24 Jahre alt, sein Vater 40 Jahre. Gemäß der örtlichen jüdischen Tradition war sein zweiter Name Tobias, wie der erste Name seines Vaters. Der erste Name eines Sohnes wurde üblicherweise vom zuletzt verstorbenen männlichen Vorfahren väterlicherseits übernommen. Wir können also annehmen, dass der Vater von Tobias Herz mit erstem Namen Herz hieß und dass er gestorben war, bevor sein Enkel Herz Tobias zur Welt kam.
Herz Tobias heiratete Olisa Herz. Da ihr zweiter Name ebenfalls Herz war, ist es möglich, dass sie miteinander verwandt waren. Sie müsste eine Urenkelin von jemandem mit dem Namen Herz gewesen sein. Wir wissen über beide nicht viel, nicht einmal, ob Olisas Name richtig geschrieben ist. Eine ihrer Enkelinnen hieß Alice, also könnte er auch Elisa gewesen sein.
Herz und seine Frau lebten in Oberdreis. Die erste Geburtsurkunde aus ihrer Familie ist die eines Mädchens namens Vogel vom 31. August 1828. Sie wurde Fanny genannt. In der Geburtsurkunde wird ihr Vater als Metzger bezeichnet. Fanny heiratete sehr spät im Alter von 41 Jahren. Sie heiratete den kinderlosen Witwer Gumbert Herz Leser aus Hamm an der Sieg. Sie bekamen ebenfalls keine Kinder, zogen aber Fannys Neffen Hermann auf, dessen Mutter verstorben war, als er neun Monate alt war. Fannys Todesdatum ist seltsamerweise in den Hammer Registern nicht zu finden.
Herz Sohn Jacob wurde um 1833 geboren. Da sein Bruder Jacob Tobias im Zivilstandsregister als Nummer I geführt wurde, bekam sein Sohn die Nummer II. Jacob II. heiratete seine Cousine Knendel “Hannchen” Tobias, Tochter des Onkels Jacob I. Sie bekamen Zwillingstöchter, Amalie und Helene, die aber direkt nach der Geburt 1864 starben. Ein Jahr später, im Juni 1865, kam Sohn Hermann zur Welt, aber Hannchen starb schon kurz darauf an Tuberkulose. Vater Jacob gab den kleinen Jungen zu seiner Schwester Fanny. Er heiratete noch einmal 1869 in Dierdorf, aber wir wissen nichts über sein weiteres Schicksal.
Der zweite Sohn von Herz Tobias war Tobias Tobias, der am 5. November 1837 zur Welt kam. Sein Großvater Tobias Herz war um 1833 gestorben, und deswegen bekam er dessen ersten Namen. Später als er in die USA auswanderte, änderte er seinen Namen zu Theodore.
Der dritte Sohn hieß Isaak. Er wurde am 29. Oktober 1842 geboren. Isaak heiratete im September 1869 Sara “Lisette” Löwenberg aus Schupbach. Lisette war die jüngste Tochter des Uhrmachers Gumbrich Löwenberg. Eine Nichte und eine Groß-Nichte von Lisette heirateten später ebenfalls in die Familie Tobias ein.
Isaaks Familie wurde “die Eisiks” genannt. Er arbeitete als Viehhändler und hatte eine kleine Landwirtschaft. Heimann, der erste Sohn von Isaak und Lisette, war geistig zurückgeblieben. Er kam am 17. Juli 1870 zur Welt. Der zweite Sohn Gustav wurde am 20. Mai 1873 geboren und ihre Tochter Ottilie “Tilli” am 4. Mai 1877. Als Gustav1906 Selma Levy heiratete und sich in Rodenbach niederließ, zogen auch Isaak, Lisette und Heimann von Oberdreis zu ihnen nach Rodenbach. Gustav übernahm das Handelsgeschäft seines Vaters und Isaak baute auf seine alten Tage noch ein paar Kartoffeln an. Die Familie war bekannt für ihre Hilfsbereitschaft. Jeden Samstag, wenn sie Suppe machten, schickten sie ihre Kinder, um den Armen und Kranken eine Portion zu bringen. Lisette starb am 5. Februar 1914. Heimann starb 1922 im Alter von 51 Jahren. Sein Grabstein steht noch auf dem jüdischen Friedhof von Puderbach.
Als Isaak 1932 seinen 90. Geburtstag feierte schrieb der Dorflehrer Arthur Schöneberg einen Artikel über ihn in der Neuwieder Zeitung. Isaak war der älteste Einwohner von Rodenbach zu der Zeit und Schöneberg offenbar ein guter Freund, der seine vielen Erinnerungen an die Ortsgeschichte schätzte. Die Zeitung brachte sogar ein Foto, das der Lehrer von Isaak beim Kartoffelhacken aufgenommen hatte. Am 28. Mai 1933 starb Isaak in Rodenbach.
Ottilie, genannt “Tilli,” heiratete Julius Levy aus Bergheim. Sie lebten in Graurheindorf, nördlich von Bonn, wo Julius eine Metzgerei betrieb. Tilli und Julius hatten zwei Töchter, Lina und Frieda. Lina kam am 1. Mai 1904 zur Welt, und war mit Karl Wolff aus Löhndorf, Sinzig, verheiratet. Ihr Sohn Arno wurde am 8. März 1928 geboren. Karl führte einen Tuchhandel in Bonn. Frieda kam am 20. Mai 1910 zur Welt und heiratete 1935 Benjamin de Levie aus Oude Pekela, Groningen. Sie lebten in Amsterdam. Benjamin wurde am 17. August 1942 in Auschwitz ermordet und Frieda am 30. September desselben Jahres.
Tilli und Julius wurden am 27. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, zusammen mit Tochter Lina und deren Familie. Julius starb am 23. November 1942 in Theresienstadt. Arno Wolff wurde am 28. September 1944 nach Auschwitz deportiert und am 10. Oktober 1944 weiter ins Arbeitslager Kaufering bei Dachau, wo er nach der Befreiung verstarb. Lina und Karl Wolff wurden am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und vermutlich direkt nach der Ankunft ermordet.
Tilli wurde am 28. März 1945 für einen Transport in die Schweiz ausgewählt. Die jüdische Familie Sternbuch aus St. Gallen hatte den schweizer Politiker Jean-Marie Musy entsandt, um mit Heinrich Himmler zu verhandeln und er akzeptierte gegen eine Zahlung von 1 Mio. $ 1.200 Häftlinge aus Theresienstadt freizulassen. Zu dieser Zeit war Theresienstadt bereits in Auflösung begriffen. Trotzdem hatten die für den Transport ausgewählten immer noch Angst in ein Todeslager geschickt zu werden. Als sie in St. Gallen ankamen konnten die meist älteren Menschen kaum noch laufen. Sie mussten sehr vorsichtig wieder aufgepäppelt werden. Ihre Odyssee war jedoch immer noch nicht vorbei, denn die Vereinigten Staaten wollten die Flüchtlinge zunächst nicht aufnehmen. Tillis Auswanderung wurde schließlich von Dr. Michaelis vom Jewish Congress in Stockholm ermöglicht. Sie ging am 8. April 1946 in Göteborg, Schweden an Bord und fuhr zu ihrer Nichte Lucie Gottschalk in New York. Wir wissen nicht, wann Tilli verstorben ist.
Herz Tobias starb 1860 im Alter von 62 Jahren. Seine Frau Olisa starb 1864 im Alter von 63 Jahren. Unglücklicherweise sind von ihnen keine Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Dierdorf erhalten, wo sie eigentlich beerdigt worden sein müssten.