Samuel Tobias kam am 6. Oktober 1847 in Oberdreis bei Puderbach als Sohn des Viehhändlers Jacob I. Tobias und seiner Frau Malchen Benjamin zur Welt. Er war das vierte Kind der Familie.
1872 heiratete er Elisabeth Bertha Eichberg aus Osterspai am Rhein. Die beiden zogen nach Hattingen, an den Rand des Ruhrgebiets. Samuel handelte hier mit Spielwaren, Lumpen und Altmetall. Außerdem war er Betreiber der „Westfälischen Pfandleih-Anstalt“. Mit Bertha bekam er neun Kinder, von denen vier im Kindesalter starben:
- Amalie „Malli“ Tobias (1873–1942)
- Johanna Tobias (1874–1880)
- Henriette Tobias (1875–1875)
- Elise „Elly“ Tobias (1878–1947)
- Jacob Tobias (1880–1880)
- Louis Tobias (1881–1939)
- Adele Tobias (1883–1947)
- Toni Tobias (1884–1980)
- Theodor Tobias (1885–1885)
1892 verzog die Familie ins benachbarte Langenberg. Am 5. März 1893 verstarb Bertha in Langenberg, wurde allerdings nicht dort beerdigt. Am 12. Juli 1893 verurteilte das Schwurgericht Elberfeld Samuel Tobias wegen Anstiftung zum betrügerischen Bankrott zu zwei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust. Mildernde Umstände gab es keine, da er bereits eine dreieinhalbjährige Haftstrafe wegen Urkundenfälschung abgeleistet hatte.
Samuel zog nach seiner Haftzeit mit seinen Kindern nach Gelsenkirchen und heiratete im November 1895 die Witwe Sophie Isaak aus Königssteele. Sophie hatte vier Kinder aus ihrer ersten Ehe mit Bernhard Joseph (Paulina, Hedwig, Antonie und Felix). Die Familie lebte zunächst in Königssteele, wo auch ihr erster gemeinsamer Sohn zur Welt kam. Drei weitere Kinder kamen in Steele und Recklinghausen zur Welt.
- Erich (1898-1945)
- Ernst (1901-1942)
- Rosa (1904-1942)
- Irma (1908-1942)
Samuel Tobias war zuletzt als Cigarrenhändler in Recklinghausen gemeldet. Er starb am 27. Februar 1927 im Laurentiusstift in Waltrop.
Amalie „Malli“ Tobias
Die älteste Tochter Malli heiratete in erster Ehe Sally Bloch aus Lage, Lippe. Sie hatten einen Sohn Eugen, geboren am 3. Oktober 1900 in Mülheim/Ruhr. Sally fiel 1917 im Ersten Weltkrieg.
Danach heiratete Malli David Dagobert Eichberg aus Osterspai. Er starb 1927 in Mülheim. Malli lebte zuletzt als Witwe in Oberhausen und wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie starb am 21. September 1942 in Treblinka. Eugen wanderte mit seiner Frau und zwei Kindern über Shanghai (Adressbuch 1939) nach nach Buenos Aires, Argentinien aus. Er kam 1963 nach Deutschland zurück und starb 1978 in Bremen.
Elise „Elly“ Tobias
Elly heiratete 1900 in Steele den aus Walbeck, Kreis Kleve stammenden Josef Levy. Sie lebten in Gladbeck und Recklinghausen bevor sie im November 1938 nach Argentinien auswanderten. Tochter Herta (* 27. August 1906, Mülheim/Ruhr) war 1923 in Gadderbaum bei Bielefeld in einem Heim für „weibliche gemütsleidende“ gestorben.
Die Söhne Herbert Jakob (* 18. September 1902, Essen) und Hans (* 9. März 1904, Essen) wanderten ebenfalls nach Argentinien aus. Was aus Sohn Arthur (* 12. Dezember 1900, Köln) wurde, wissen wir derzeit nicht. Er war 1934 nach Barmen gezogen. Elly starb am 24. September 1947 in Buenos Aires.
Louis Tobias
Louis Tobias arbeitete als reisender Händler, geriet aber immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Im April 1911 fiel er durch einen dreisten Diebstahl in Dortmund auf. 1913 wurde er steckbrieflich wegen Betrugs gesucht. Der Fahndungsaufruf lautete wie folgt: „1344 Tobias, Louis, geb. 14.9.1881 zu Hattingen, zuletzt wohnhaft Cöln, Größe 1,55 — 1,60m, Gestalt untersetzt, Haare und Schnurrbart schwarz, Gesicht gelblich, voll, Stirn geneigt, Augenbrauen schwarz, Nase groß, Zähne vollständig, Kinn spitz, Gang und Haltung gerade, trägt Augengläser, dunkelbrauner Anzug, schwarzer Paletot und grauer, weicher Filzhut, wegen Betrugs pp. 1 J 31/13. Cöln, 21.2.1913, Der Erste Staatsanwalt.“ Im Iserlohner Kreisblatt vom 24. Juli 1913 warnte der Fotograf E. Rüsing jr aus Barmen davor, dass Louis Tobias fälschlicherweise in seinem Namen Aufträge gegen Vorkasse annehme.
Er war in den Niederlanden gemeldet, bevor er im Frühjahr 1935 nach Osnabrück zog. Hier wurde er im Februar 1938 wegen „Heimtücke“ verhaftet. Über die genauen Anschuldigungen liegen keine Akten mehr vor. Er war ab März 1938 in Dachau interniert und wurde im September als Zwangsarbeiter nach Buchenwald verlegt. Hier starb er am 1. Juli 1939 an den Folgen der Strapazen und Misshandlungen. 2016 wurde für ihn in Osnabrück ein Stolperstein verlegt.
Adele Tobias
Adele heiratete 1914 den aus Bremen stammenden Wilhelm Levy. Während des ersten Weltkriegs lebte die Familie in Gladbeck. Sohn Heinz wurde hier im September 1917 geboren. Tochter Anneliese war im Oktober 1915 in Münster zur Welt gekommen, wo ihre Mutter sich für einige Monate aufhielt. Nach dem Krieg zog die Familie erst nach Oberhausen und dann nach Iserlohn, wo Wilhelm Levy im Juli 1921 das Schuhgeschäft Agrippina eröffnete.
Im April 1933 verkaufte Wilhelm Levy das Schuhgeschäft. 1934 emigrierte die Familie über Hamburg nach Palästina. Sie lebte dort in Tel Aviv und Heinz wurde Tischler. Er war der erste, dem im August 1937 die Ausreise in die USA gelang. Seine Eltern folgten ihm im April 1947 nach New York. Adele starb kurz darauf, am 22. August 1947, in New Jersey an einem Herzschlag. Tochter Anneliese hatte den griechischen Juden Emile Berachas geheiratet und gelangte 1952 zusammen mit ihm über ein DP Camp in Fürth nach Canada. Sie starb 1996 in Toronto. Heinz „Henry“ Levy starb 2009 in New York.
Toni Tobias
Toni heiratete im Juli 1911 in Gladbeck den Kaufmann Aron „Arnold“ Schanzer aus Osiek, Schlesien. Toni war zu der Zeit als Geschäftsinhaberin gemeldet. Sie führten ab 1913 gemeinsam ein Kino, das Apollo-Theater in Oberhausen, mit 800 Plätzen. Arnold war außerdem im Filmvertrieb tätig. Sohn Kurt kam 1912 in Gladbeck zur Welt, Tochter Annie 1914 in Oberhausen. Arnold war im Vorstand des lokalen Fußballclubs aktiv und stiftete 1926 einen goldenen Pokal für ein überregionales Turnier, das die Mannschaft aus Oberhausen unerwartet gewann. Nach der Machtübernahme durch die Nazis wurde der Pokal jedoch eingeschmolzen und goldene Ehrennadeln für verdiente Mitglieder daraus gemacht, zu denen Arnold Schanzer nicht mehr gezählt wurde. Die Familie zog 1937 nach Duisburg und emigrierte schließlich nach Argentinien, zuerst die Kinder und im Januar 1940 auch die Eltern. Aron Schanzer starb angeblich im September 1948, wurde aber offenbar nicht in Buenos Aires beerdigt. Seine Tochter Annie kam 1951 bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Toni starb am 20. September 1980 in Buenos Aires.
Erich Tobias
Erich heiratete 1922 die evangelische Maria Johanna Langendonk aus Herne. Er war selbständiger Schneidermeister, hatte aber ebenso wie sein Vater und sein Bruder Louis mehrfach Probleme mit der Justiz. Im Mai 1927 wurden er und sein jüngerer Bruder Ernst in Recklinghausen wegen Konkursverschleppung mit ihrer gemeinsamen Firma „Wäschekonfektion GmbH“ zu drei bzw. zwei Monaten Haft verurteilt. Erich und seine Frau verzogen danach von Recklinghausen nach Essen.
1936 kam es zu einer schweren Anschuldigung von „Rassenschande“ und „Kuppelei“. Der Ex-Mann von Marias Schwester behauptete, dass seine Ex-Frau ihm erzählt habe, dass ein jüdischer Kunde von Erich zusammen mit seiner „arischen“ Freundin bei den beiden übernachtet habe und es dabei zu Geschlechtsverkehr mit Partnertausch gekommen sei. Sowohl Erich und seine Frau wie auch deren Schwester bestritten alle Anschuldigungen und der Ex-Mann konnte keine Beweise vorlegen. Das besagte Pärchen war ohnehin schon in die Niederlande emigriert und das auch vermutlich schon vor Inkrafttreten des „Rassenschande“-Paragraphen. Maria hatte im Rahmen der Untersuchungen angegeben, dass sie zum jüdischen Glauben übergetreten sei. Das hieß, ihr drohten fortan dieselben Verfolgungsmaßnahmen wie ihrem Mann.
Obwohl das Verfahren eingestellt wurde, emigrierten auch Erich und Maria 1938 nach Den Haag. Sie wurden daraufhin ausgebürgert. Erichs Mutter Sophie hielt sich seit Anfang 1939 ebenfalls in Den Haag auf, wo sie am 7.2.1939 verstarb. Als Erich und Maria 1940 versuchten Reisepässe zu beantragen wurde ihnen dies verweigert, da sie ja keine deutschen Staatsbürger mehr seien. Erich wurde 1942 von Maastricht nach Westerbork deportiert und gelangte von dort nach Auschwitz. Bei Kriegsende war er in einem Außenlager von Groß-Rosen. Er starb am 27. Mai 1945 in Wüstegiersdorf. Maria wurde im Mai 1953 in Elsloo, Limburg, beerdigt.
Ernst Tobias
Ernst heiratete im Januar 1939 Käthe Rossbach aus Bochum. Sohn Denny Samuel kam im März 1939 in Bochum zur Welt, Tochter Mathel im Februar 1940 in Recklinghausen. Das dritte Kind Berl wurde im März 1941 geboren. Die ganze Familie wurde am 31. März 1942 nach Warschau deportiert und gilt als verschollen.
Rosa Tobias
Rosa heiratete Karl Jacobs aus Haselünne, Emsland. Ihre Tochter Ingeborg kam im Juni 1926 in Recklinghausen zur Welt. Sohn Kurt Wolfgang wurde im September 1928 geboren. Im Oktober 1935 emigrierte die Familie in die Niederlande. Tochter Ursula kam im Januar 1938 in Heerlen zur Welt. Zuletzt lebte die Familie in Maastricht. Alle wurden am 31. August 1942 in Auschwitz ermordet.
Irma Tobias
Irma heiratete Louis Eckmann aus Schmalkalden. Er arbeitete als Verkäufer in Herford und emigrierte 1939 nach Groß-Britannien. Im Juli 1940 gelang ihm die Ausreise über Canada in die USA. Irma arbeitete als Zahnarbeiterin in Essen. Sie wurde am 22. April 1942 nach Izbica deportiert.
Friedhof La Tablada, Buenos Aires, Dezember 2014. Fotos: Carina Kraft
Stammbaum:
Generation 1
- Samuel Tobias (1847-1927) ∞ Elisabeth Bertha Eichberg (1842-1893), ∞ Sophie Isaak (1863-1939)
Generation 2
- Jacob I. Tobias (1803-1864) ∞ Malchen Benjamin (1815-1861) Oberdreis/Puderbach
- Josef Löb Eichberg ∞ Caroline Marx, Osterspai/Rhein
- Markus Isaak ∞ Julie Falk, Steele/Essen
Generation 3
- Tobias Herz (1758-1833) ∞ Täubchen Samuel (1774-1860) Oberdreis/Puderbach
- Herz Benjamin (1795 – ?) ∞ Beile Aron (1795-1829) Raubach/Puderbach
- Moses Eichberg ∞ Caroline ?, Osterspai/Rhein
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